Ruth Priese
Ruth Priese     Körper- und systemisch orientierte Begleitung von kleinen und grossen Menschen

                                                        AUSGEWÄHLTE EIGENE TEXTE


Redebeitrag während des Fachtages des „Netzwerkes rund um die Geburt“
im Bezirk Berlin-Marzahn-Hellersdorf und des Vivantes Klinikum Hellersdorf am 16. Mail 2014 unter dem Thema „Risikofaktoren für die prä-, peri- und postnatale Bindungsentwicklung und mögliche Interventionen“:

I. Die prä- peri und postnatale und Körperpsychotherapie

hat sich in den letzten Jahrzehnten an verschiedenen Orten Europas und der USA unabhängig voneinander – entwickelt (z. B. Ray Castellino in den USA, William Emmerson und Claire Dolby in England, Jenö Raffay und György Hidas in Ungarn, Klaus Käppeli und Christian Meyer in der Schweiz, Thomas Harms, Regina Bücher, Claudia Köhler u.a. in Deutschland ...). Vor allem durch die bildgebenden Verfahren hatte man in den 70er Jahren begonnen wahrzunehmen, dass die un- und die neugeborenen Kinder bereits kompetente Persönlichkeiten sind. Wir alle haben schon in der Schwangerschaft, bei der Geburt und danach sehr sensibel empfunden und erlebt, was uns geschehen ist, auch wenn es nur in unserem Körper als Erinnerung gespeichert ist. Bis dahin sah man in den kleinen Menschen bekanntlich mehr oder weniger gefühllose Wesen, die man ohne Narkose operierte. Man glaubte, sie fühlen keinen Schmerz.
Ich selbst habe aus persönlicher Betroffenheit heraus erst in den 90-er Jahren Berührung mit dieser Arbeit bekommen. Nach einer Weiterbildung bei Thomas Harms in „emotioneller erster Hilfe“ ( siehe www.zepp-bremen.de) und nach meiner - feinfühlig begleiteten Trauer über meine eigene frühe Geschichte - biete ich seit 1999 eine Sprechstunde für unruhige Babys hier im Stadtbezirk an, auch „Schreibabyambulanz“ genannt. Von 2003-2005 habe ich dann bei der Ray Castellino-Assistentin Claudia Köhler in Dresden, die in diesem Haus auch auf einem unserer Fachtage referierte (vgl. www.lebens-wandel.net) und Claire Dolby eine zweijährigen Weiterbildung in „prä-perinaler Körpertherapie“ genossen – mit weiteren Schritten im persönlichen Annehmen meiner eigenen Geschichte.
Dabei durfte ich lernen, für meist traumatisierte Kinder und ihre Eltern zunächst eine emotional möglichst sichere, von jeglicher Bewertung freie zwischenmenschliche Umgebung herzustellen. Denn nur im Erleben von Sicherheit können sich die aus dem Inneren der kleinen und großen Körper heraus von selbst entstehenden Bewegungen, die Erinnerungen an die beschriebenen Traumata aus dieser frühen Zeit, kann sich das implizite Gedächtnis zeigen.
Wenn das Kind es „erlaubt“, d.h., wenn es mit seinen Bewegungen, seiner Stimme, seinen Augen und seiner Mimik k e i n e Ablehnung zeigt, begleite ich die entstehenden Bewegungen mit meinen Händen und mit Worten, die benennen, was ich gerade sehe und mit-erlebe.
In meiner Arbeitsweise verbinde ich die Erfahrungen aus der „Emotionellen ersten Hilfe“ mit dieser Köperpsychotherapie, je nach dem, was diese Familie gerade erbittet, wenn sie sich zum Kommen entschlossen hat, und: - was sie gerade in dieser Situation annehmen k a n n !!
---- Video-Scene: der 7-Monate-alte Severin, seine Mama und Klaus Käppeli aus seiner DVD der Reihe „Du bist einzigartig“ Teil II: „Die Kaiserschnittgeburt im Erleben des Kindes“ 2:16 ff ---
Die Schreibaby-berater_Innen in Deutschland, Österrreich und der Schweiz, die entweder bei Thomas Harms oder bei Paula Diederichs weitergebildet wurden, nennen sich nicht Therapeut_Innen, sondern „Krisenbegleiter_Innen“ - . Vielleicht würden sie keine halbe Stunde lang das Weinen eines so kleinen Kindes begleiten können, ohne einzugreifen – wie es Klaus Käppeli hier berichtet.

II. Bevor ich meine Arbeit genauer beschreibe, möchte ich ganz kurz die Forschungs- und Erfahrungs-zweige wenigsten nennen, die es m. E. ermöglicht haben, unsere kleinen Kinder besser zu verstehen. Ich halte die genannte Wende im Verstehen ihrer Ausdruckssprache für ein Ergebnis historisch gesehen relativ neuer Sichtweisen und vieler Forschungszweige. Diese möchte ich in Folgendem nennen, auch, um deutlich zu machen, wie viel Mühen es brauchte, um unsere Kleinen besser zu verstehen. Es sind für meine Wahrnehmung neben den bildgebenden Verfahren vor allem.
II.1)
die sich immer weiter durchsetzende Erkenntnis, dass eine in unserer Kultur tradierte, - meiner Generation noch in unser Unbewusstes eingepflanzte, angebliche Trennung von Körper und „Geist“, Soma und Psyche, Medizin und Psychologie nicht der Realität entspricht.
(Dem Rechnung tragend formierte sich die „Internationale Studiengesellschaft für prä- perinatale Psychologie und Medizin“ ISPPM mit ihrer „Internationalen Zeitschrift für Pränatale- und Perinatale Medizin und Psychologie“. Bezeichennder Weise gründete sich 1971 zunächst die „Internationale Studiengesellschaft für pränatale und perinatale Psychologie“ ISPP. Die Psychoneuroendokrinologie erwies sich dann als Bindeglied zwischen Medizin und Psychologie, sodass die Umbenennung in den jetzigen Namen 1986 erfolgen konnte. Deutsche darin sind z. B. : Ludwig Janus, Bettina Alberti, Inge Krens, Barbara Jakel, Helga Blazy, Rupert Linder, Sven Hildebrandt, aus anderen Ländern die bereits Genannten und viele, viele mehr),
II.2.
) die bereits nach dem 1. Weltkrieg entstandene und nach dem Vietnamkrieg aufblühende Traumaforschung ( z. B. Peter Levine und Babette Rotschild ), mit ihrer hilfreichen Unterscheidung von implizitem- oder Körpergedächtnis, welches u.a. unsere unbewußten Erfahrungen aus der Schwangerschaft und den ersten beiden Lebensjahren speichert, und dem expliziten- oder biographischen Gedächtnis, aus welchem wir diejenigen Erfahrungen abrufen können, an die wir uns bewusst erinnern. Das Wahrnehmen der Körpersignale, die aus dem impliziten- oder Körpergedächtnis kommen, ist für unsere Arbeit mit Menschen an ihren vor- nach- und geburtlichen Traumata von herausragender Bedeutung - ,
II.3
.) die Entwicklung der Cranio-Sakral-Therapie aus der Osteopathie heraus, die Sascha Rieck gerade dargestellt hat, und durch deren Einsatz wir im Kontakt mit dem Kind zentrale Bereiche des Zentralen Nervensystems, besonders das Cranium, den Kopf und das Sakrum, das Ende der Wirbelsäule unterstützend berühren können, wenn das Kind es zulässt (vgl. z.B. William G. Sutherland, John E. Upledger, Franklyn Stills, Rollin E. Becker, Ramraj Löwe und viele andere),
II.4
.) die Entstehung der Körperpsychotherapie durch den Sigmund Freud-Schüler Wilhelm Reich, seine Tochter Eva und alle, die ihr körperpsychotherapeutisches Arbeiten aus deren bahnbrechenden Erkenntnissen entwickelten (z. B. Alexander Lowen, Gerda Boyesen, Hilarion Petzold, Ilse Middendorf, Will Davis, Thomas Harms und viele andere): Durch Berührungen im Einverständnis können wir einem Menschen oft ähnliche Unterstützung geben wie durch Worte, manchmal noch hilfreichere. Aber es ist dabei entscheidend, dass wir das jeweilige Körpererleben dieses Kindes oder dieses Elternteils zuvor gut erforschen und respektieren. (vgl. Severins Bewegung des rechten Füßchens - ) Für traumatisierte Menschen ist oft schon die leiseste Berührung ein Übergriff --- und wird dann eine Retraumatisierung,
II
.5) die - , die vorgeburtlichen Menschen bestaunende Morphologie (z. B. der anatomische Atlas von Johannes Rohen, die Veröffentlichungen von E.Blechschmidt und die des Niederländers Jaap van der Wal, www.walembryo.de ). Sie versucht, die Bedeutung der Gesten und Bewegungen zu verstehen, welche sich in den verschiedenen Stadien der Entwicklung unserer Körper und Organe in der Schwangerschaft zeigen, oder etwa den völlig gegensätzlichen Habitus der männlichen und weiblichen Geschlechtszellen vor ihrer Vereinigung - ,
II.6
.) die Zellforschung (z. B. Bruce H. Lipton, die von ihm in „Intelligente Zellen – Wie Erfahrungen unsere Gene steuern“ KOHA-vlg. 2007 genannten Quellen und J. Upledger). Lipton beschreibt u.a. seine grundlegende Entdeckung, dass sich Zellen in unterschiedlichen Milieus ganz unterschiedlich entwickeln, also nicht genetisch festgelegt sind,
II.7.)
die Entdeckung der Drei- , - nicht Zweigliedrigkeit unseres autonomen Nervensystems, den entwicklungsgeschichtlich „alten“ und den „neuen“ Zweig des Vagusnervs/des Parasympathikus durch Stephen Porges: Der „alte“ Vagus lässt uns in für uns zu großer Gefahr erstarren, der „neue“ lässt uns – wenn wir uns sicher fühlen -, in Ruhe kommunizieren und darin glücklich werden,II.8) die spektakulären Ergebnisse der Hirnforschung etwa im Blick auf unsere Bindungs- und Kontaktbedürfnisse, (besonders Gerald Hüther, Joachim Bauer, Thomas Fuchs und Ralf Dawirs). Sie bezeichnen unser Gehirn als „Bindungsorgan“,II.9.) und schliesslich die inzwischen fast unüberschaubar gewordene Bindungsforschung seit John Bowlby, deren Ergebnisse für meine Wahrnehmung auf der ganzen Linie von der Hirnforschung bestätigt werden. Sie ist inzwischen so bekannt, dass ich sie hier m.E. nicht darstellen muss (Vgl. u.a. www.bindungswissenschaften.de und dortige Verweise).

III
. Wie arbeiten wir nun in dieser Körperpsychotherapie ganz konkret?
Wenn ich von „wir“ spreche, meine ich meine Lehrer_Innen Ray Castellino, Claudia Köhler, Claire Dolby, Klaus Käppeli, Christian Meyer und die von ihnen weitergebildeten KollegInnen.
III.1.
) Wenn so ein kleiner Mensch zusammen mit seinen Eltern zu uns kommt, haben wir in der Regel schon zuvor am Telefon - ohne das Kind - seine Geschichte und möglichst auch die seiner Eltern so gut wie möglich erfragt. So haben wir schon einen Eindruck von eventuellen Belastungen in der Zeugungsphase, während der Schwangerschaft, unter der Geburt und danach, die in Kind und Eltern nachwirken und von der Art und Weise, wie d i e s e Mutter und d i e s e r Vater damit umgehen. (Erwachsene, welche in die Selbsterfahungsseminare kommen, füllen einen detaillierten Fragebogen zur eigenen frühen Geschichte aus.) Es ist für den Elternteil, mit dem wir telefonieren, oft schon eine Entlastung, wenn ein Mensch ihnen interessiert, verständnnisvoll und mit genug Zeit zuhört und die Geschichte des Kindes, - oft auch die der Familie interessiert erfragt. Kürzlich sagte eine Mutter: „So genau hat noch nie jemand die Geschichte des Kindes wissen wollen“.
III.2
.) Bei der ersten persönlichen Begegnung ist es dann entscheidend, ob wir es schaffen, den emotional sicher geschützten Raum herzustellen für das Kind, den Vater, die Mutter und evtl. andere Mitkommende, sodass alle Anwesenden ohne Angst sein können, - etwa davor, be- oder verurteilt zu werden!
---- Wir folgen dann gemeinsam dem, was das Kind uns mit seiner Stimme, seiner Mimik und seinen Bewegungen zeigt, sprechen aus, was wir wahrnehmen („spiegeln“ das Kind ---), helfen ihm mit Worten, zwischen h e u t e und dem d a m a l s Erlebten - , zwischen den elterlichen und den eigenen Gefühlen und Wahrnehmungen zu unterscheiden (zu „d i f f e r e n z i e r e n“). Die Kinder verstehen uns nicht auf der intellektuellen - , aber auf einer intentionalen, intuitiven, sinnlichen Ebene: Sie lesen in unserem Gesicht und in unserer Stimme und können offenbar unsere Glaubwürdigkeit erfassen. Sie haben es vorhin an dem Blick von Severin gesehen - , wie er den Worten von Klaus aufmerksam lauscht. Wir sehen diesen Hunger nach stimmigen Worten z. B. an ihren Augen,ihrem Innehalten der Bewegungen und ihrem Gesichtsausdruck. Wir geben den Erwachsenen damit ein Modell, das Kind als kompetente Persönlichkeit ernst - und so wahrzunehmen, wie es geworden ist - mit dieser seiner Geschichte. Kürzlich hatte sich das Verhalten eines einjährigen Kindes schon nach einer Sitzung deutlich verändert - „nur“ dadurch, dass die Eltern viel mehr mit dem Kind sprachen als zuvor.
---- Wir finden mit den kleinen und großen Menschen zusammen heraus, was ihnen in schwierigen Situationen Kraft gibt, erforschen gemeinsam ihre Ressourcen – auch, damit wir uns in heftig werdenden Situationen mit ihnen verbinden können. Das ist bekanntlich bei jedem Menschen – oft auch in verschiedenen Situationen etwas Anderes. Vielleicht denken Sie gerade einmal kurz darüber nach, was Ihnen im Alltag Kraft gibt - - - . Bei den Babys ist es oft eine bestimmte Berührung oder Weise, von einer vertrauten Person gehalten, angeschaut oder angesprochen zu werden. Sind beide Eltern anwesend, so ermutigen wir sie, schon jetzt während unserer Sitzung möglichst oft miteinander kurzen, liebevollen Augenkontakt zu machen. Es kommt dabei zur Ausschüttung des „Liebeshormons“ Oxytocin - unseren Übungserfahrungen nach auch beim Kind.
---- Wir leiten die Eltern an, ihre/unsere Aufmerksamkeit immer wieder vom Kind wegzunehmen und auf den eigenen Körper zu richten. Das entlastet die Kinder ungeheuer. Je entspannter und gelassener die Eltern sind, umso besser fühlt sich das Kind. (gegebenenfalls Übung von Ray Castellino zu dritt:
a.) “Vater“ und „Mutter“ schauen auf das „Kind“ > wie fühlt dieses sich? -
b.) „Vater“ und „Mutter“ schauen einander an > wie fühlt sich das Kind?
c.) „Vater“ und „Mutter“ schauen irgendwo in die Gegend > wie fühlt sich das „Kind“?
---- Und wir passen uns möglichst in unserem eigenen Tempo, unserem Sprechen und unseren Bewegungen dem Tempo des Babys an, d.h. werden v i e l langsamer, als wir es sonst sind! Das fällt mir aufgrund meiner eigenen Geschichte - nicht immer leicht---.
III.3.)
Das alles geschieht anders, wenn das Kind bereits beim Kommen weint (Das ist die genannte Situation einer Krisenintervention). Auch in einem solchen Fall leiten wir die Eltern an, mit ihrer Aufmerksamkeit nicht nur beim Kind zu sein, sondern zugleich in den eigenen Körper hinein zu horchen, den Atem zu vertiefen, die eigenen Füße auf dem Boden, den Rücken an der Lehne zu spüren und gegebenenfalls unsere oder die Hand des Partners/der Partnerin etwa auf einer Schulter oder am Rücken zuzulassen. Es ist immer wieder erstaunlich, wie schnell sich ein Baby selbst reguliert – oft schon dann aufhört zu weinen, wenn die Kontaktpersonen sich entspannen. Freilich: sich selbst und z u g l e i c h das Baby wahrzunehmen, ist eine Art Kunst und verlangt Übung. -
Und so lernen die Eltern, ihren Kindern zuzuhören - , ja, - ihnen das auch mit ehrlichem Herzen sagen zu können, etwa so: „gut, dass Du Dich ausweinst, ich höre Dir zu, lass alles ´raus ---- es ist vorbei!“.Und die Eltern lernen, das Weinen der Kinder nicht mehr „Schreien“ oder „Brüllen“ zu nennen. III.4.) Wenn wir schon von schwerwiegenden Belastungen in der Geschichte des Kindes gehört hatten, den Eindruck bekamen, dass die Eltern überfordert waren, dann auch dazu passend Spannungen im kindlichen Körper, - eckige, schlagende, schnelle Bewegungen und Unruhe wahrnehmen (wie bei Severin---), Schmerz oder Sorge in seinem Gesicht und in seiner Stimme - , dann bereiten wir die Eltern möglichst bald darauf vor, dass ihr Kind mit seinen Bewegungen nachholend – vielleicht sehr Heftiges von seiner Geburt oder aus der Schwangerschaft zeigen könnte. Und wir holen uns ihr Einverständnis dazu ein, diese Prozesse zulassen - , begleiten zu dürfen und das Kind nicht mit dem Nucki oder mit Schaukeln von seinem Bewegungssausdruck abzulenken. Wir haben im Idealfall schon mit ihnen über ihre Kraftquellen gesprochen und das tiefe Atmen sowie die Aufmerksamkeit für den eigenen Körper geübt. So können wir sie während eines starken Gefühlsausbruchs des Kindes immer wieder daran erinnern (30 Minuten lang weinte Severin sehr heftig!). Und es kann es uns allen besser gelingen, uns selbst beim Begleiten des oft wütenden, verzweifelten, klagenden oder jämmerlichen Weinens nicht von unseren eigenen Gefühlen und unserer Körperwahrnehmung abzuspalten (zu „d i s s o z i i e r e n“). III.5 Sie alle haben vermutlich schon erlebt, wie sich Babys beim Anlegen zum Stillen oder im Tragetuch nach hinten biegen und sich von Mamas Körper abstoßen. Das Kind will uns dann – so unser Verständnis -mit seinen Bewegungen seine Geschichte erzählen. (Leider erleben die Mütter das oft als Ablehnung durch das Kind oder auch als Trotz. Sie können in solchen Momenten das Kind nicht als hilfesuchendes Wesen sehen, sondern projizieren ihre eigenen Bezugspersonen in das Kind hinein.) Ray Castellino vergleicht das Bedürfnis der Kinder, vor dem Trinken ihre Geschichte zu zeigen, mit unserem Bedürfnis, nach einem bewegenden Erlebnis und v o r einer Mahlzeit von unseren Erlebnissen zu erzählen, erst dann essen zu können.)Das Kind erzählt etwa,
- wie es sich im Bauch von Mama gefühlt hat,
- dass es dort beängstigend war, als Mama so viel Streß hatte oder traurig war, vielleicht geraucht, Alkohol getrunken oder Drogen genommen hat,
- wie es war, als sie einen diagnostischen Befund bekam, der sie mit Angst erfüllte,
- als es immer und immer wieder durch den Ultraschall gestört wurde,
- als Mama meinte, die Schmerzen unter der Geburt nicht mehr aushalten zu können und innerlich weg war, es sich sehr verlassen fühlte- - - - - - .
Die Bewegungen des Kindes zeigen uns, was es erlebt hat,
- oft in einer Abfolge von Beugung und Streckung - wie im Geburtsprozeß - und in der Hin und Her-Suche des Köpfchens nach der besten Möglichkeit, - an den Knochen der Mama vorbei hinaus aus ihrem Körper – und dann über ihren Bauch zu ihrer Brust zu kommen. Vater, Mutter oder wir geben dann den Füßchen die Möglichkeit, sich abzustoßen, manchmal auch dem Köpfchen eine Berührungsfläche, welche für das Körpergedächtnis den Beckenausgang der Mutter bedeutet – oft begleiten wir das Liquorsystem des Kindes mit unseren Händen an Hinterkopf und Steißbein, ähnlich wie es Klaus Käppeli bei Severin tat. Wir initiieren von uns aus keinerlei Bewegung von außen!!!!, folgen nur dem, was der kleine Körper von sich aus tut und uns zeigen will, sich nach Verstehen sehnend.
Ich erinnere mich an ein Kaiserschnitt-Kind, das in dieser seiner Bewegung auf dem Arm der Mutter sein Köpfchen für etwa 3 Minuten ganz still nach unten hielt. Es schien uns, als genösse es dies – . Es konnte endlich die Bewegung machen, die es eigentlich bei seiner Geburt machen wollte. Andere Kinder zeigen mit ihrem kleinen Köper Verzweiflung, Wut oder große Angst oder Verzweiflung, die sie erlebt haben.
III.6.)
Wir begleiten, – möglichst die Eltern selbst - das Geschehen mit optimal glaubwürdigen Worten im Sinne von Zeugenschaft, - auch, wenn wir das wirkliche Erleben des Kindes in Schwangerschaft, Geburt und danach nur ahnen, etwa so: Ja, so wolltest Du es machen ----, soo schwer war es ---, so viel Angst hattest Du --- , soo wütend bist Du gewesen und bist es immernoch --- , ich sehe und höre Deinen Ärger ---- , Deine Verzweiflung ---, Deinen Kummer --- , ich spüre in m e i n e m Körper D e i n e Angst, Deine Trauer, Deine Wut ---- ----- , u.ä. Und dann das soo Wichtige: Aber es ist vorbei!!!Jetzt ist es anders - , jetzt kannst Du bestimmen, was geschieht. Und wir unterstützen Deinen eigenen Weg!
Wir „spiegeln“ mit unseren Worten, was wir sehen und erleben. Dann kann das Kind sich selbst ernst nehmen und fühlt sich sicher, das entscheidende Kriterium für die Ermöglichung sozialer Kontakte! - Nach allgemein psychotherapeutischer Erfahrung ist diese Zeugenschaft das eigentlich Heilende: Wenn ein einziger Mensch wahr- und ernst nimmt, was ich erlebt habe, was ich in meinem Körper und emotional spüre , dann kann auch ich es selbst ernst nehmen und als Teil meiner Geschichte in mein Selbstbild, mein autobiographisches, explizites Gedächtnis integrieren. Das ist „Heilen auf der Hirnstammebene“.Für Eltern, welche diese Prozesse zum ersten Mal erleben, sind sie oft schwer zu ertragen. Eine Familie bezeichnete unserer Arbeit kürzlich als „exotisch“. Sie wollen manchmal das schmerzliche Geschehen lieber vergessen, als daran erinnert zu werden. Aber auch sie werden nach einem solchen Prozeß in der Regel belohnt von beglückend entspannten Kindern, die uns – so ist es immer wieder meine Wahrnehmung – dankbarst anschauen, oft als seien sie auf einem anderen Stern - oder die in einen sehr tiefen Schlaf fallen. Ich höre dann zuweilen: „Frau Priese, wir haben ein anderes Kind!III.7.) Oft geht es nicht nur allein um das Kind. Dann werden die ungelösten Traumata der Eltern, besonders der Mütter als Teil der Probleme des Kindes deutlich und das „Differenzieren“ zwischen den Gefühlen der eltern und denen des Kindes wird ganz wichtig: „Das ist Mamas Problem, dafür bist Du nicht verantwortlich! Das macht Mama allein...“. Ich denke z. B. an Mütter mit einem Bindungstrauma, wie Leonore Schicktanz es vorhin in der Kreis-graphik von Franz Ruppert dargestellt hat. – . Diese Eltern haben oft große Schwierigkeiten mit Körperkontakt, weil sie ihn selbst als Babys und Kleinkinder nicht erlebt haben. Ich rechne - über eine lange Zeit meines Lebens – mich selbst dazu. Die Nazipädagogik prägte auch viele bürgerliche Familien durch körperliche Distanz. Meine Mutter sagte einmal, als ich sie auf den fehlenden Körperkontakt in unserer Familie hin ansprach: „bei uns ist das nicht so“--- .Eine von diesen Müttern erzählte kürzlich: „Ich sitze immer mit angezogenen Beinen, bis ich merke, dass sie wehtun. Meine Füße auf den Boden zu stellen, ist so anstrengend, so ungewohnt“. Natürlich würde diesen Müttern und ihren Kindern eine ausführliche Körper-Psychotherapie helfen. Einige sind dazu auch bereit und sie nehmen ihr Kind und die Babyzeit als eine Chance, auch die eigene Geschichte anzuschauen, zu betrauern und dadurch zu heilen. Kinder gerade solcher Familien sind zum Glück unglaublich erfinderisch, sich die eigenen Bedürfnisse zu erfüllen. So nahm das Kind der gerade zitierten Mutter nachts die Hand des schlafenden Vaters und ließ diese sich streicheln!IV. Oft haben die Eltern, ehe sie zu uns kommen, schon viele gescheiterte Versuche hinter sich, das Leid ihres Kindes und ihrer Familie zu lindern.
Deshalb hoffe ich,
- dass diese frühen Traumatisierungen bald von genug Menschen verstanden werden und sie ausgebildet sein werden, auch die eigene frühe Geschichte anzusehen und anzunehmen,
- dass bald a l l e Eltern in die Sprache der Babys eingeführt werden und ihren Ausdruck heilend begleiten können,und
- dass dann weitaus weniger größere Kinder „zum Psychologen“ oder zur Ergotherapie geschickt werden werden.
(Im Herbst 2015 beginnt der nächste Kurs zum Erlernen dieser Arbeit mit Claudia Köhler – . Auch Ray Castellino, Klaus Käppeli zusammen mit Regina Bücher bilden darin laufend aus.)
Sie können diese Arbeit gut auf den vier DVD´s von Klaus Käppeli unter der Überschrift „Du bist einzigartig“ weiter kennenlernen (siehe meine Literaturliste), Bezugsadresse: www.epics.ch.



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