Ruth Priese
Ruth Priese     Körper- und systemisch orientierte Begleitung von kleinen und grossen Menschen

                                                        AUSGEWÄHLTE EIGENE TEXTE


Schreibaby! Hilfe! Was tun?


Ganz kurz gesagt: Höre Deinem Baby zu! Es erzählt Dir ohne Worte, aber sehr eindrücklich mit seiner Stimme, wie es ihm in seinem bisherigen Leben im Bauch von der Mama, bei der Geburt und danach ergangen ist. Und es hungert danach, dass Du es verstehst. Das Weinen von Babys hat immer einen Grund
Aber es ist nicht immer leicht, dem Baby zuzuhören u.a. weil das Weinen in uns Erwachsenen Erinnerungen an unsere eigene Babyzeit auslöst, die uns vielleicht gar nicht bewusst sind.
Deshalb ist es wichtig, dass Du Dich auf Deine Kraftquellen besinnst: Was tut Dir gut, wenn Du Dein weinendes Baby auf dem Arm hältst? Denn dieses Halten und Zuhören ist ganz schwere seelische Arbeit! Tut Dir vielleicht der Blick aus dem Fenster auf Bäume oder in den Himmel gut? - die Erinnerung an schöne Momente mit Deinem Kind, vielleicht an das erste einander Ansehen gleich nach der Geburt? - an Dein schlafendes Baby? - an Dein Staunen darüber, dass es rundum gesund ist? - Tut Dir ein gutes Getränk gut oder etwas, was Du besonders gern isst?
Wenn wir die weinenden Babys tragen, vergessen wir oft uns selbst. Das aber hilft niemandem. Deshalb üben wir in der Sprechstunde für unruhige Babys immer auch, herauszufinden, was den Eltern gut tut und was ihnen Kraft gibt. Wir erfragen z.B., ob der das weinende Kind tragende Papa seinen Atem spürt, ob er vielleicht sein Ausatmen ein wenig verstärken kann, manchmal mit einem Ton, ob die Mama ihre Füße und ihren Rücken spürt, ob ihr meine oder Papas Hand in ihrem Rücken gut tut – am wirkungsvollsten meistens im Kreuzbein. So merken die Eltern, wie viele Fähigkeiten unser Körper und unsere Seele haben: Wir können es, dem Baby zuhören und es in seinem Kummer begleiten!
Dabei ist es so wichtig, dass wir mit unserer Aufmerksamkeit nicht immerzu nur bei dem Baby sind, dass wir vielmehr auch auf unser eigenes Wohlbefinden achten.
In unserer Gesellschaft meinen viele, dass jungen Eltern die Begleitung ihrer Babys allein schaffen müssten. Aber das stimmt nicht. „Es braucht ein ganzes Dorf, um ein Kind zu erziehen und die emotionalen Bedürfnisse der Eltern zu stillen“, schrieb Afrikanerin Sobonfu Somé im Blick auf ihre eigene Kindheit in Burkina Faso.
Manchmal machen wir eine Übung dazu, um diese Wahrheit selbst zu spüren. Die geht so: Ein Mensch stellt sich vor, eine Mama mit ihrem weinenden Baby auf dem Arm zu sein. Eine zweite Person stellt sich neben sie und legt ihr – wenn die Erste es mag – die Hand in ihr Kreuz. Dann stellt sich eine dritte Person neben die Unterstützerin und eine Vierte neben die Dritte, um diese in ihrer Unterstützung zu unterstützen. Mit jeder weiteren Person geht es der Mutter mit dem Kind besser. Sie kann z.B. besser durchatmen, vor allem ausatmen und gelassener bei dem Kind sein.
In unserer Gesellschaft gibt es wenig natürliche Netze der Unterstützung für junge Eltern, wie es sie in Zeiten der Großfamilien gab und noch immer in einigen traditionellen Kulturen gibt. Deshalb müssen sich die kleinen Familien diese Unterstützung selbst suchen und bauen: Bitte Deine Schwiegermutter, dass sie Dir einen Topf Essen kocht und vor die Tür stellt, ohne etwas von Dir zu wollen. Bitte Deine Mutter, dass sie für Dich einkauft, vielleicht einmal die Fenster putzt o.ä. Suche nach Freundinnen, denen es Freude macht, Dich zu entlasten, nach einer Nachbarin, die mit Dir spazieren geht und Dir zuhört ---- oder, oder ! „Nur einfach sagen, was man braucht!“ Es ist wichtig, die Bitte als Ich-Satz zu sagen: Ich wünsche mir.... und ich fürchte mich vor...!
Natürlich gibt es auch Grenzen: Wenn Du es gerade nicht schaffst, Dein Kind zu begleiten, weil Du so erschöpft oder ärgerlich oder verzweifelt bist. Dann lege Dein Kind hin und schütze es vor Dir selbst. Dann muss es auch einmal allein weinen, weil wir ihm sonst vielleicht etwas antun würden. Und das will doch niemand. Nur, wenn wir uns dazu stark genug fühlen, sollten wir das Kind in seinem Schmerz begleiten, möglichst im Augenkontakt miteinander ihm z.B. sagen: „Ich höre Dir zu – ich sehe Deinen Schmerz - es tut mir so leid – ich werde gerade dabei erinnert an ---. Aber: Es ist vorbei! Jetzt ist es anders als damals“.



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